Sind Abgaswäscher (Scrubber) für Seeschiffe Schummelpackungen?
Es ist paradox die Schadstoffe einerseits aus dem Abgas von Verbrennungsmotoren herauszuholen um diese andererseits in die Meeresumwelt insbesondere in einem nach MARPOL besonders geschütztem Gebiet wie z.B. Nord- und Ostsee, aber auch der offenen See, wieder einzuleiten.
Seit dem 1. Januar 2015 ist in Emissionskontrollgebieten (ECAs) nur noch ein maximaler Schwefelgehalt von 0,1 Prozent im Schiffskraftstoff zulässig. Und seit dem 1. Januar 2020 gilt weltweit ein Schwefelgrenzwert von 0,5 Prozent im Schiffskraftstoff.
Als Alternative zu schwefelarmen Kraftstoffen können Abgaswäscher (Scrubber) verwendet werden. Mit der breiten Anwendung von Scrubbern sind jedoch Umweltauswirkungen zu erwarten. Es gibt vorrangig zwei verschiedene Abgaswäscher-Systeme: Geschlossene und offene Systeme (Closed- und Open-Loop Scrubber Systeme), bzw in dieser Kombination auch als Hybridsysteme.
Closed-Loop Anlagen reichern Schadstoffe im Waschwasser stärker an und reduzieren dadurch die Abwassermenge, setzen aber für die Abwasserbehandlung zusätzliche Chemikalien und Energie ein und benötigen einen zusätzlichen Entsorgungsweg an Land (Sondermüll = zusätzliche Kosten).
Open-Loop Anlagen verlagern die Schadstoffbelastung aus dem Abgas (Atmosphäre) in das Meereswasser, mit erheblicher Energie für den Einsatz der elektrisch betriebenen Pumpen.
Diese Scrubber erzielen die geforderte Emissionsreduktion, aber belasten das Abwasser mit Schadstoffen, welches in das Meereswasser eingeleitet wird.
Die verschiedenen Scrubber-Systeme unterscheiden sich also in ihrer Umweltbelastung durch Menge und Inhaltsstoffe der Abwässer.
Die Open-Loop-Technik setzt erheblich größere Mengen von Seewasser (im Vergleich zu CL-Systemen) zur Abgaswäsche ein. Das Seewasser wird in offenen Kreislauf-Systemen (Open-Loop-Systemen) mit wasserlöslichen und partikelgebundenen Schadstoffen angereichert und anschließend wieder ins Meer geleitet. Dadurch wird die Umwelt in der Umgebung des Schiffes stark belastet. Bei einem zunehmenden Einsatz dieser Technik, der absehbar ist, kann dies auch zu weiträumigen Beeinträchtigungen der Umwelt führen.
Die Regelungen zur Abwasserqualität finden sich in der IMO Resolution MEPC.184(59) aus dem Jahr 2009. Mit dem Einsatz von Scrubbern tritt eine Umweltbeeinträchtigung durch kurzzeitige und räumlich begrenzte pH-Wert -Absenkung, Temperaturerhöhung und Trübung sowie durch Schadstoffeinleitung von zum Teil persistenten Stoffen ein, die bei offenen Systemen ungleich höher ist als bei geschlossenen Systemen.
Die Schifffahrtsrouten der Nord- und Ostsee queren ökologisch wertvolle und sensible Gebiete. Diese Gebiete sind durch den bereits bestehenden hohen Nutzungsdruck vielfach vorbelastet. Die Nutzung offener Scrubber-Systeme verursachen eine zusätzliche Belastung dar.
Lokal treten in den vorbelasteten Gewässern der Ästuare und Fluss-Hafenzufahrten schon jetzt extreme pH-Wert-Schwankungen auf, die aufgrund der Waschwassereinleitung aus Scrubbern noch verschärft werden. Auf globaler Ebene ist wegen der Klimaänderung bereits eine messbare pH-Wert-Absenkung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit eingetreten, die zur Meereswasserversauerung führt. Die Scrubber-Abwässer tragen zu einer Beschleunigung der Effekte bei, die klimabedingt erwartet werden. Zur Minderung der Effekte in sensiblen und vorbelasteten Gebieten sollte der pH-Wert des Auslasses nicht mehr als 0,5 Einheiten unter dem Wert des Umgebungswassers liegen.
Wir sprachen mit Octavio Marin vom BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) über die Auswirkungen der Meereswasserbelastung aufgrund Waschwassereinleitung von Open-Loop Scrubbern.
VEUS-Shipping: Sind Open-Loop-Scrubber Meereswasserverschmutzer? Wenn ja, warum?
BSH: Das BSH hat im Auftrag des Umweltbundesamtes ein Projekt zur Untersuchung von Scrubber-Waschwasser aus Open-Loop (OL)- und Closed-Loop (CL)-Systemen und deren potentielle Auswirkungen auf die Meeresumwelt durchgeführt. Der Abschlussbericht dieses Forschungsvorhabens soll zeitnah veröffentlicht werden. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass im Waschwasser von Scrubbern Schadstoffe angereichert werden, besonders polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), Vanadium und Nickel. OL-Scrubber verlagern damit die Schadstoffbelastung aus dem Abgas in das Meereswasser. Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um die Gesamtauswirkungen auf die Meeresumwelt besser quantifizieren und bewerten zu können.
VEUS-Shipping: Gibt es Grenzwerte für die Einleitung von Schadstoffen aus OL-Scrubbern? Wenn ja, wo sind diese hinterlegt, bzw auf welcher Grundlage?
BSH: Ja, in einer Entschließung der IMO (2015 Scrubber Guidelines), MARPOL-Anlage VI, sind für die Einleitung von Scrubber-Waschwasser Grenzwerte für pH-Wert, PAKs, Trübung und Nitrat festgelegt. Die Grenzwerte sind z.T. von den Eingangswerten (bzw. den Hintergrundkonzentrationen) im Waschwasser und / oder von dem Verhältnis zwischen Waschwasservolumen und Maschinenleistung (t/MWh) abhängig und gelten sowohl für OL- als auch für CL-Systeme (vgl. Punkt 10 Washwater, 2015 Scrubber Guidelines). Wenn ein Scrubber betrieben wird, muss die Überwachung und Aufzeichnung des Waschwassers kontinuierlich erfolgen. Die zu überwachenden und aufzuzeichnenden Daten sollen Temperatur, pH-Wert, PAKs und Trübung beinhalten. Da diese Regelungen von einem IMO-Ausschuss erarbeitet wurden, gelten sie weltweit. Obwohl die „2015 Scrubber Guidelines“ nicht rechtsverbindlich sind, sind die Verwaltungen der vertragsschließenden Mitgliedstaaten verpflichtet, sie gemäß Regel 4.3 der MARPOL-Anlage VI zu berücksichtigen, wenn sie die Nutzung von EGCS gemäß Regel 14.1 der MARPOL-Anlage VI genehmigen.
Auf europäischer Ebene wird in Art. 8 Abs. 4 der EU-Schwefel-Richtlinie auf die „Scrubber Guidelines“ verwiesen.
VEUS-Shipping: Vor dem Hintergrund, dass noch viel mehr Scrubber eingebaut werden könnten bzw. in Dienst gestellt werden: Vermehrt sich auch der Schadanteil im Waschwasser?
BSH: Je mehr Schiffe weltweit mit Scrubbern ausgerüstet sind, die während des Betriebs dieser Anlagen Waschwasser einleiten, desto mehr Schadstoffe werden ins Wasser emittiert. Der jeweilige Netto-Schadanteil im Waschwasser erhöht sich aber nicht. Eine Zunahme in der Installation von Scrubber-Anlagen in den letzten Jahren ist sichtbar. Laut GISIS (Global Integrated Shipping Information System; Datenbank der IMO) gibt es aktuell ca. 1400 Schiffe mit installierten und staatlich geprüften Anlagen weltweit. Es gibt Marktstudien, wie von Clarksons Research und DNV GL, die mit ca. 4000 Anlagen (bestellte Anlagen eingerechnet) für die nächsten Jahre rechnen. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass das Waschwasser-Management für jedes System unterschiedlich ist. So besteht die Vorschrift bei CL-Systemen, das Waschwasser an Bord zu behandeln und die dabei entstehenden Scrubber-Rückstände (Scrubber-Sludge) an Bord in einem separaten Tank zu lagern, um sie später an Land zu entsorgen. Einige Scrubber-Hersteller bieten auch Waschwasser-Behandlungssysteme für OL-Systeme an.
Abgaswaschwasseraustritt von einem Seeschiff im Hamburger Hafen zeigt deutlich Ölschlieren im Hafenwasser
VEUS-Shipping: Welche Schadstoffe im Waschwasser belasten das Meereswasser?
BSH: Die Zusammensetzung des Waschwassers ist sehr komplex und variiert je nach Qualität des verwendeten Kraftstoffs, der Maschinenleistung, der Vollständigkeit der Verbrennung, der Vorbelastung des aufgenommenen Seewassers und der Reinigungsleistung des Scrubbers und ist auch von evtl. weiteren zugeführten Stoffen (wie zum Beispiel Flockungsmittel oder Natronlauge bei CL-Systemen) abhängig. Waschwasser-Untersuchungen aus verschiedenen Studien haben das Vorhandensein verschiedener Schadstoffe bestätigt. Besonders zu erwähnen sind Schwermetalle (z.B. Vanadium, Nickel, Kupfer und Zink) und PAKs, die teilweise krebserregende bzw. andere nachteilige Eigenschaften haben können, sowie Nitrat.
Ein Aspekt, der noch nicht umfassend untersucht wurde und der im Moment nicht viel Präsenz in der Scrubber-Diskussion hat, sind die Auswirkungen von Waschwasser auf die Gewässerversauerung, insbesondere in Gebieten mit niedriger Pufferkapazität.
VEUS-Shipping: Warum werden OL-Scrubber in einigen Gebieten verboten? (zu nennen sind hier beispielsweise Singapur, Suez-Kanal, Elbe, etc)
BSH: In Deutschland ist das Einleiten von Waschwasser aus Scrubbern auf allen dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen, mit Ausnahme des deutschen Teils des Bodensees und der Rheinstrecke oberhalb Rheinfelden, sowie an ihnen gelegenen Häfen generell nach dem Straßburger Abfallübereinkommen (CDNI) verboten. Es gibt daher kein gesondertes Verbot, etwa für die Elbe, allerdings greift hier das Wasserhaushaltsgesetz (Bundesgesetz) zum Schutz der Gewässer. Zu den Gründen für im Ausland verhängte Verbote können wir keine Stellung nehmen.
Eine Waschwasseraustrittsprobe von einem Open-Loop Scrubber zeigt deutlich das Vorhandensein verschiedener Schadstoffe
VEUS-Shipping: Auswirkungen von Waschwasser aus Abgaswäschern auf das Meereswasser?
BSH: Letztes Jahr hat MEPC 74 die gemeinsame Gruppe unabhängiger wissenschaftlicher Experten (GESAMP) mit der Bewertung der Ergebnisse vorhandener/veröffentlichter Scrubber-Studien beauftragt. GESAMP hat einen ersten Bericht zum IMO-Unterausschuss PPR 7 eingereicht, der im Februar 2020 tagt. Die Ergebnisse dieses Berichts werden somit in Kürze durch die IMO Vertragsstaaten diskutiert.
VEUS-Shipping: Dürfen OL-Scrubber in ECA-Gebieten benutzt werden?
BSH: In Moment gibt es keine besondere Beschränkung für zugelassene OL-Scrubber. Scrubber müssen selbstverständlich die Gleichwertigkeit der Regel 14.4.3 (Schwefelgehalt <0,1% m/m) sicherstellen und die Grenzwerte für die Waschwasser-Einleitung einhalten. Ausgenommen sind lokale Regelungen
Herr Marin wir danken für das Gespräch
Anmerkung der Redaktion:
Bewusst haben wir in unserem vorliegenden Text den Open-Loop-Scrubber in den Fokus gerückt. Aus gegebenem Anlass wollen wir aber den Closed-Loop Scrubber dabei nicht aus den Augen verlieren. Es hat ganz den Anschein als ob der Closed-Loop Scrubber alle Kriterien für eine optimale Abgasreinigung und die damit verbundene Scrubber-Sludge Entsorgung an Land erfüllt.
Aber ist das wirklich so? Gibt es belastbare Vorschriften wie der Sludge gesammelt und entsorgt werden soll? Oder öffnen nicht existierende Vorschriften für die Scrubber-Sludge Entsorgung den Betreibern Tür und Tor für illegale Entsorgungen auf See?
Die Realität
Vergleicht man die gesetzlichen Dokumentationen vom Ölschlammentsorgung an Bord von Schiffen (oily sludge) der Anlage I mit der Anlage VI des MARPOL- Übereinkommens, Schlammentsorgung aus der Abgasreinigung (Scrubber Sludge), so fällt sofort auf, dass in der Abfallnachweisführung von Scrubber Sludge noch ein erheblicher Regelungsbedarf besteht.
Im Anhang zum Internationalen Zeugnis über die Verhütung der Ölverschmutzung nach MARPOL (IOPP Certificate) nach Anlage I, ist u.a. die Ausrüstung des Schiffes mit Tanks für die Sammlung von Ölrückständen (Sludge tank) an Bord beschrieben. Hier werden Angaben zum Namen des Ölschlammtanks, der Örtlichkeiten im Schiff und die Größen / Kapazitäten angegeben. In einem weiteren Kapitel werden die Anlagen der bordeigenen Entsorgungen aufgeführt.
Der Umgang und Verbleib der Ölrückstände, wie zum Beispiel:
- wöchentliche Peilungen aller Ölschlammtanks
- jeder Umpumpvorgang zwischen den jeweilige Sludge tanks
- jeder Verbrennungsvorgang (incinerator)
- jede Entsorgung an eine Landabgabestation
sind sehr detailliert in einem Öltagebuch (Oil Record Book) zu dokumentieren.
Kleinste Verstöße, fehlerhafte oder fehlende Eintragungen, werden weltweit mit erheblichen Bußgeldern geahndet!
Kommen wir zurück zur Dokumentation der Schlämme aus der Abgasreinigung (Scrubber Sludge):
Im Anhang zum Internationalen Zeugnis über die Verhütung der Luftverunreinigung durch Schiffe (IAPP-Zeugnis) nach MARPOL Anlage VI sucht man vergeblich nach Eintragungen zur Ausrüstung von Sammeltanks zur Lagerung von Schlämmen und / oder Waschwasser.
In der Praxis kann man diese „Scrubber Sludge tanks“ in der Tabelle „Ölschlammtanks“ im Anhang zum IOPP-Certificate finden.
Diese fehlerhaften Eintragungen erlauben es der Maschinenleitung an Bord des Schiffes die Ölschlämme mit den Schlämmen aus der Abgasreinigung zu vermischen und auch in den bordeigenen Verbrennungsanlagen zu entsorgen.
Für den Umgang, Sammlung und Entsorgung dieser gefährlichen Abfälle ist zurzeit keine einheitliche Dokumentation vorgeschrieben.
Die weitere Aufbereitung dieses Abfallstromes ist nicht bekannt.
Es gibt Vermutungen, dass die ölhaltigen Schiffsabfälle der MARPOL Anlage I mit den wässrigen Schlämmen der MARPOL Anlage VI vermischt und dann irgendwie weiter aufbereitet werden.
Dabei ist eine Vermischung von gefährlichen Abfällen nach dem Europäischen Abfallrecht untersagt.
Erstellt von: AG Maritimer Umweltschutz
Bild-1: Ein Abgaswäscher wird nachgerüstet (Bild: Archiv)
Bild-2: Eine Waschwasseraustrittsprobe von einem Open-Loop Scrubber zeigt deutlich das Vorhandensein verschiedener Schadstoffe
Bild-3: Die Schadstoffe haben sich auf dem Boden abgesetzt
Bild-4: Abgaswaschwasseraustritt von einem Kreuzfahrtschiff im Hamburger Hafen zeigt deutlich Ölschlieren im Hafenwasser